Wir brauchen einen umfassenden digitalen Aufbruch
3.11.22
Anlässlich meiner Keynote zu weiteren Digitalisierungsschritten und Vorhaben der Bundesregierung beim VOICE Entscheiderforum 2022 habe ich im Gespräch mit dem Bundesverband der IT-Anwender vorab einige Fragen beantwortet:
Viele Kritiker halten die Digitalstrategie der Bundesregierung nicht für ambitioniert genug. Von Platz 13 im Ranking unter die Top 10 zu kommen, klingt nicht sehr ehrgeizig. Was antworten Sie solchen Kritikern?
Klar ist, dass wir die Versäumnisse der vergangenen Regierung nicht von heute auf morgen abbauen können. Die Bundesregierung hat sich einen umfassenden digitalen Aufbruch vorgenommen und den werden wir auch umsetzen. Unter der Federführung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr haben wir gemeinsam mit allen anderen Ministerien eine Dachstrategie inklusive einer verpflichtenden To-Do-Liste ausgearbeitet, die jedes Ressort in eigener Verantwortung umsetzen soll.
Wir haben uns bewusst bei der Digitalstrategie auf die wichtigsten digitalen Maßnahmen konzentriert, um uns nicht im Klein-Klein zu verlieren.
Besonders mit den drei wichtigsten Hebelprojekten (Digitale Identitäten, Digitale Standards, Digitale Infrastrukturen) wollen wir die Digitalisierung maßgeblich vorantreiben und uns an diesen Ergebnissen nach dieser Legislaturperiode messen lassen. Die Umsetzung der Digitalstrategie wird deshalb auch durch ein Monitoring und eine Wirksamkeitsanalyse begleitet. Also wenn Sie mich fragen, ich finde unser Vorhaben schon sehr ambitioniert und ehrgeizig.
Warum soll es mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur dieses Mal schneller gehen als bei der letzten Ankündigung der „Gigabit-Gesellschaft“ durch die Regierung Merkel?
Wir sind bereits schneller geworden: Die Maßnahmen zur Entbürokratisierung zeigen ihre Wirkung, indem Fördermittel für den Gigabitausbau schon vorzeitig vollständig abgerufen worden sind. Das ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt, dass es funktioniert. Wir müssen aber weiter daran arbeiten den Gigabit-Ausbau in Deutschland zu beschleunigen, indem wir Genehmigungsverfahren digitalisieren und vereinfachen, Hemmnisse bei der Nutzung alternativer Verlegemethoden abbauen und Normierungs- und Standardisierungsprozesse voranbringen.
An welchem Land könnte Deutschland sich im Bereich Digitalisierung orientieren? Welches könnte Vorbild sein?
Den höchsten Digitalisierungsgrad weisen nach dem europäischen Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) die nordischen Staaten, derzeit mit Finnland an der Spitze, auf. Erst kürzlich traf ich die finnische Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr und Kommunikation Dr. Pilvi Torsti in Berlin, um mit ihr über die gemeinsame Umsetzung und Erreichung der vereinbarten Digitalziele in Europa zu sprechen.
Deutschland arbeitet bereits in einer Vielzahl von Projekten wie dem Digital Service Act, der KI-Verordnung und dem Data Act erfolgreich mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Dabei dient die von der EU-Kommission vorgelegte Zielsetzung als zentraler Kompass für eine gemeinsame europäische Digitalpolitik.
Was ist Ihnen in Sachen Digitalisierung persönlich am wichtigsten?
Wir müssen endlich aufhören, analoge und digitale Prozesse parallel laufen zu lassen. „Digital first“ ist der Anspruch, den wir auch umsetzen müssen. Unsere digitale Leistungsfähigkeit lässt sich nur steigern, indem wir das Digitale stärken und das Analoge dort belassen, wo es noch sinnvoll ist.
Wichtig ist auch, dass wir analoge Prozesse nicht einfach 1:1 ins Digitale übersetzen, sondern bei der Gestaltung immer die Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit mitdenken und in den Vordergrund stellen müssen. Die Vielfalt unserer Gesellschaft muss sich auch im digitalen Bereich widerspiegeln und dafür brauchen wir ein breites Spektrum an unterschiedlichen Perspektiven und diversen Datensätze.
Das Interview wurde veröffentlicht im CIO-Magazin.