Hannas Freiheitskolumne: Einmal in die Leugner-Welt geschnuppert
15.9.20
Seit Monaten hat uns das Coronavirus fest im Griff. Mit dem Lockdown fuhr alles einmal komplett runter. Schulen und Geschäfte schlossen und Unternehmen stiegen aufs Homeoffice um. Das war logisch. Dachte ich.
Doch dann fingen Bekannte an, mir Videos und Artikel von „Corona-Leugnern“ zu schicken. Meine erste Reaktion war: „Was soll ich denn damit anfangen?“ Ich hatte ja keinen Grund an den Aussagen der Regierung und den Zahlen vom RKI oder der John-Hopkins-Universität zweifeln. Doch irgendwann, beim x-ten Video, ließ ich mich doch darauf ein und wollte wissen, was denn diese „Lüge“ sei, von der meine Bekannten ständig reden.
Schließlich kenne ich sie ja. Die sind nicht dumm. Haben studiert, lesen viel – und sind sogar Ärzte, die während dieser Pandemie im Gesundheitswesen arbeiten. Welches Motiv sollten sie haben, am Ernst der Lage zu zweifeln, wenn nicht doch etwas an den Theorien der Corona-Gegner dran ist?
Die ersten Artikel habe ich noch durch meine „Das sind ja eh alles Lügen“-Brille gelesen. Aber mit jedem neuen, weitergeleiteten Artikel oder Video wurde ich unsicherer. Doch das lag nicht nur am Inhalt.
Seit meiner Geburt erklären mir ältere Menschen die Welt. Meine Familie, Lehrer, Politiker. Täglich gibt man mir als jungem Menschen zu verstehen, dass die „Alten“ alles besser wüssten. Und wenn wir Teenager das oft anders sehen – wer hört auf uns?
Und so stand ich auf einmal vor einem Problem: Auf der einen Seite soll ich den „Erwachsenen“ blindlings vertrauen und mich an ihre Regeln halten. Auf der anderen Seite soll ich mir aber auch eine eigene Meinung bilden und die Welt kritisch hinterfragen. Und was ist, wenn ich dabei zu dem Schluss komme, dass das, was der Mainstream sagt, nicht richtig sein kann? Bin ICH dann plötzlich ein Verschwörungstheoretiker?
Irgendwann wusste ich nicht mehr, was ich überhaupt noch glauben soll. Ist die Wahrheit jetzt die Lüge und die Lüge die Wahrheit? Oder andersherum?
Die Bundesregierung erklärt mir – zugegeben etwas spät – mit Fakten und Zahlen, warum eine Maskenpflicht und der Mindestabstand notwendig sind. Meine Bekannten erklären mir, warum sie sich diesen Auflagen verweigern und keine Masken tragen. Für sie ist alles nur ein perfider Plan, um uns zu kontrollieren und zum Beispiel die Wirtschaft zu zentralisieren. Aber ergibt das Sinn?
Einiges tut es, das gebe ich zu. Aber irgendwas passt immer nicht. Die Gründe für die angebliche Corona-Lüge sind zu oft nicht ausgereift. Man fragt sich: Ja, und dann!? Was kommt nach dem großen Umschwung? Keiner hat eine Antwort. All dieser Aufwand, die vielen Menschenleben, um die Wirtschaft zu zentralisieren? Das kann doch nicht sein.
Das habe ich meinen Bekannten dann letztlich auch gesagt. Ich habe mit ihnen diskutiert, manchmal auch gestritten. Aber sie bleiben standhaft bei ihrer Meinung. Und ich bei meiner.
Und nun? Sie leiten mir immer noch Artikel und Videos weiter, das hat sich nicht geändert. Der Unterschied ist: Ich ignoriere sie wieder.
Ich habe in die Leugner-Welt geschnuppert und es hat mir nicht gefallen.
Ich bleibe lieber in der richtigen Welt.