Gemeinsam die Häfen der Zukunft gestalten
1.11.22
Ein überlastetes Bahnnetz, Probleme mit Niedrigwasser: mit welchen Maßnahmen will der Bund die Resilienz der Verkehrs-Infrastruktur in Deutschland erhöhen?
Daniela Kluckert: Wir müssen unsere Infrastruktur für die Zukunft aufstellen. Da wurde in der Vergangenheit leider einiges verpasst. So investieren wir derzeit massiv in das Schienennetz und nutzen auch die Digitalisierung um besser und effizienter zu werden. Beispielsweise wird gerade daran gearbeitet durch das Building Information Modelling digitale Zwillinge von Bauwerken zu erstellen, die dann die Sanierung oder ganze Ersetzung deutlich einfacher und kostengünstiger machen. Und bei Planungsvorgängen wird die Anpassung an den Klimawandel immer schon mitgedacht. Das heißt, die Ingenieurinnen und Ingenieure müssen die sich ändernden klimatischen Bedingungen mitplanen. Speziell mit Blick auf die Binnenschifffahrt tun wir viel dafür, dass diese auch bei einer Häufung extremer Niedrigwasserereignisse ein bedeutender und zuverlässig nutzbarer Verkehrsträger bleibt – beispielsweise mit der konsequenten Umsetzung des Aktionsplans „Niedrigwasser Rhein“. Die Binnenschifffahrt ist neben der Bahn das Verkehrsmittel zur CO2-Vermeidung.
Die Finanzierungslücke wächst, die zum Sanierungsstau bei Wasserstraßen und Schienen geführt hat. Wie wollen Sie sie schließen?
Das parlamentarische Verfahren zum Haushalt 2023 ist noch nicht abgeschlossen und wir arbeiten daran, dass wir vom Gesetzgeber ausreichende Mittel für die Wasserstraße zur Verfügung gestellt bekommen. Hinzu kommt: Nach derzeitigen Planungen wird die Finanzlinie ab 2024 wieder steigen. Für das BMDV ist klar: wir setzen uns weiter dafür ein, dass die Wasserstraße als zuverlässiger Verkehrsträger zur Verfügung steht.
Der Bund hat wenig Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Großteil der Regelungskompetenz für die Häfen liegt bei den Ländern (Gesetzgebung) Kommunen (Umsetzung). Wie wollen Sie die stärker einbinden?
Seit 2009 gestaltet der Bund die nationale Hafenpolitik mit Nationalen Hafenkonzepten. Mit einer neuen Nationalen Hafenstrategie wollen wir gemäß Koalitionsvertrag den Anstoß geben, gemeinsam mit den Ländern, beteiligten Verbänden, Gewerkschaften und Bundesressorts die Häfen der Zukunft zu gestalten. Die Erarbeitung der Hafenstrategie erfolgt in einem Arbeitsgruppenprozess auf Grundlage von Leitlinien, mit denen die Beteiligten die wesentlichen Handlungsfelder und Themen abgesteckt haben.
Zur CO2-Reduktion benötigen wir dringend mehr Verkehrsverlagerung von der Straße auf Bahn und Binnenschiff. Momentan behindert der Wettbewerb zwischen diesen beiden Verkehrsträgern, die aus unserer Sicht zusammengehören, diese Verlagerung. Hier braucht es eine koordinierte Vernetzung. Wie sind diesbezüglich Ihre Pläne?
Den Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern im Güterverkehr sehe ich nicht als Hindernis. Dass die Verkehrsträger durch die Vernetzung vielmehr voneinander profitieren, zeigt der Kombinierte Verkehr. Er verbindet die Vorteile der Verkehrsträger. Schon jetzt finden so pro Tag rund 17.000 Lkw-Fahrten weniger auf unseren Bundesfernstraßen statt. Pro Jahr sind dies fast 4,5 Mio. Lkw-Fahrten. Durch die Verlagerung werden im deutschen Netz jährlich Kohlendioxidemissionen in Höhe von rund 2,75 Mio. t vermieden. Was Großraum und Schwertransporte (GST) betrifft, erarbeitete eine Arbeitsgruppe Handlungsempfehlungen für die Verlagerung von GST von der Straße auf Schiene und Wasserstraße. Diese werden nun schrittweise vom BMDV umgesetzt. Schiene und Wasserstraße müssen sich ergänzen, da für die Bewältigung des Verkehrszuwachses im Güterverkehr die Kapazitäten der Schiene alleine nicht ausreichen.
Im Bereich IT und Digitalisierung, ebenfalls eines der zentralen Handlungsfelder der Nationalen Hafenstrategie, wurden mit einer Neuausrichtung und neu geschaffenen Stellen zuletzt wichtige Weichen gestellt. Wo sehen Sie in diesem Bereich die dringlichsten Aufgaben?
Ja, der bedarfsgerechte Erhalt und Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur ist eines der fünf Handlungsfelder der Nationalen Hafenstrategie. Wir werden im Arbeitsgruppenprozess gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren die zur Zielerreichung notwendigen strategischen Maßnahmen erarbeiten. Die Bundesregierung hat bereits im Rahmen ihrer im Juli 2022 vom Kabinett verabschiedeten Gigabitstrategie ein Maßnahmenpaket vorgestellt, das von der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, über die stärkere Nutzung alternativer Verlegemethoden, die Optimierung der Förderung, die Erstellung eines Gigabitgrundbuchs bis hin zu Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilfunkversorgung reicht. Ziel ist es, bis 2025 die Hälfte aller Haushalte und Unternehmen mit Glasfaser zu versorgen und bis 2030 eine flächendeckende Verfügbarkeit dieser hochleistungsfähigen Infrastrukturen zu erreichen. Hiervon profitieren auch die in den Hafengebieten angesiedelten Unternehmen.
Aktuell verhindern Natur- oder Gewässerschutzauflagen oft die fürs Klima so wichtige Verkehrsverlagerung, indem sie diese unnötig teuer oder ganz unmöglich machen. Wie wollen Sie diesen Zielkonflikt auflösen?
Zwischen Natur- und Klimaschutz besteht kein Zielkonflikt. Intakte Ökosysteme sind vielmehr natürliche Klimaschützer. Klar ist aber: um die Herausforderungen in unserer Infrastruktur bewältigen zu können, müssen wir notwendige Modernisierungs- und Ausbaumaßnahmen in unseren Verkehrsnetzen zügig umsetzen. Das kann aber nur gelingen, wenn Planungs- und Genehmigungsverfahren den Weg bis zur Fertigstellung eines Infrastrukturprojekts nicht unnötig in die Länge ziehen. Deshalb sind seit 2018 vier Planungsbeschleunigungsgesetze auf den Weg gebracht worden und für den Herbst plant das Bundesministerium für Digitales und Verkehr weitere rechtliche Anpassungen. Darüber hinaus arbeiten wir neben Verfahrenserleichterungen und der Verbesserung von Prozessabläufen insbesondere daran, Planungs- und Genehmigungsverfahren konsequent zu digitalisieren.
Wasserstraßen enden nicht an den Landesgrenzen. Wie gelingt eine bessere Einbindung der deutschen Häfen in europäische Strukturen?
Hierzu sind wir auf europäischer Ebene in regelmäßigem Austausch. Deutsche Häfen sind beispielsweise über das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-V) in europäische Strukturen eingebunden. Nahezu 90 deutsche Binnenhäfen sind Bestandteil des TEN-V.
Der Artikel wurde im Magazin Kurs Bayernhafen veröffentlicht.