Podcast: Können wir es uns noch leisten, mobil zu sein?

30.11.22

Wie bleibt Mobilität bezahlbar? Welche Rolle spielt Digitalisierung im Verkehr? Diese und viele weitere Fragen beantwortet Daniela Kluckert im ADAC-Podcast mit Alexander Schnaars.

AS = Alexander Schnaar; DK = Daniela Kluckert

AS: Herzlich willkommen zur neuen Folge. Heute schauen wir uns an, ob unsere Mobilität noch bezahlbar ist und bleibt, gerade vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Kraftstoffpreise. Anfang nächsten Jahres soll das 49-Euro-Ticket kommen. Es soll unter anderem eine entlastende Maßnahme darstellen. Über diese Themen spreche ich mit Daniela Kluckert. Sie kann uns heute unsere Fragen rund um die Bezahlbarkeit der Mobilität beantworten. Schön, dass Sie heute bei uns zu Gast sind!

DK: Vielen Dank für die Einladung.

AS: Die Spritpreise sind zurzeit sehr teuer. Wir haben steigende Energiepreise. Viele Menschen machen sich Sorgen, ob sie sich zukünftig Mobilität noch leisten können. Ist diese Sorge berechtigt?

DK: Auch wir schauen mit Sorge auf diese Preissteigerungen. Nicht nur Mobilität wird teurer, sondern auch beispielswiese das Einkaufen oder die Energie. Die Bundesregierung hat hier schon wegweisende Beschlüsse wie das Inflationsausgleichsgesetz gefasst. Im Bereich der Mobilität haben wir mit der Spritpreisbremse und dem 9-Euro-Ticket vieles bewirken können. Wir versuchen weitere Entlastungen für Menschen und Unternehmen auf den Weg zu bringen. Insgesamt arbeiten wir hart an bezahlbarer Mobilität. Dafür muss in einigen Bereichen etwas passieren, nicht nur im ÖPNV, sondern auch im Ausbau der Ladeinfrastruktur und durch Technologieoffenheit erzeugten Wettbewerb. Nur mit einem funktionierenden Markt werden Preise durch den Wettbewerb und nicht durch Monopole bestimmt. Das führt zu Preissenkungen.

AS: Kann man sagen, dass aufgrund dieser hohen Preise die Mobilitätswende schneller vorangetrieben wird?

DK: Ich spreche nicht gern von einer Mobilitätswende, weil ich nicht zurückschauen möchte, sondern „fast forward“, immer in die Zukunft. Wir wollen Mobilität besser machen, vernetzen, dekarbonisieren. Preise sind auf jeden Fall ein Leitmotiv dafür, etwas zu verändern. Deswegen bin ich sehr froh, dass wir das 49-Euro-Ticket auf den Weg bringen konnten. Wir stecken zusätzlich eine Milliarde in den ÖPNV. Dafür werden die Regionalisierungsmittel, also die Mittel, die vom Bund an die Länder gegeben werden, um den Schienenpersonennahverkehr zu unterstützen, massiv erhöht. Das ist ein Treiber dafür, dass wir ein attraktives Angebot für die Menschen vor Ort schaffen können. Nach wie vor wird das Auto eine große Rolle in der individuellen Mobilität spielen. Auch hier müssen wir dafür sorgen, dass es bezahlbar bleibt.

AS: Was wäre Ihr gesammelter Überbegriff, wenn es nicht der der Mobilitätswende ist?

DK: Mit einem Wort ist schwierig (lacht). Die Mobilität der Zukunft muss vernetzt, dekarbonisiert, nahtlos und autonom sein.

AS: Ihre Erwartungen an das 49-Euro-Ticket sind groß, oder?

DK: Das Ticket ist der absolute Gamechanger – eine Reform des öffentlichen Nahverkehrs. Die Leute können deutschlandweit damit fahren. Viele verkrustete Strukturen werden aufgebrochen, weil dieser Tarifdschungel wegfällt. Es ist auch für den ländlichen Raum bedeutend. In Berlin kostet ein AB-Ticket 62 €, das ist von den 49 € nicht so weit entfernt. Ich komme aber aus dem ländlichen Raum. Die Monatstickets sind dort viel teurer, obwohl man nur aus dem Dorf in die Stadt fahren und das Ticket dann nicht innerhalb der Stadt weiter nutzen kann. Der ländliche Raum ist hier ein Gewinner. Ich sehe eine wirtschaftliche Entlastung für die Menschen und ein Aufbrechen der Strukturen.

AS: Wenn das 49-Euro-Ticket nun zu einer stärkeren Nutzung des ÖPNV führt, bedeutet dies dann auch einen einhergehenden Ausbau des ÖPNV im ländlichen Raum?

DK: Es sind viele Dinge. Erstens: Wie machen wir das mit den Finanzen? Wir hoffen, dass wir Mehreinnahmen generieren, weil mehr Menschen durch das Ticket den ÖPNV nutzen möchten. Wenn mehr Geld in die Kassen kommt, löst das auch Investitionen aus. Zweitens brauchen wir nicht mehr, sondern intelligentere Transportmittel. Sie müssen besser aufeinander abgestimmt sein und smarte Transportformen wie On Demand oder autonomes Fahren müssen besser integriert werden. Beispielsweise "People Mover", autonome Fahrzeuge, dürfen mittlerweile in normaler Geschwindigkeit auf vorbestimmten Strecken unterwegs sein. Ich hoffe, dass das von Verkehrsbetrieben vor Ort genutzt wird. Vernetzung macht diese Angebote dann attraktiv. Wir arbeiten kontinuierlich daran, dass das Angebot besser wird.

AS: Eine große Rolle spielt dann die Digitalisierung, damit Verkehrs- und Reiseketten gut funktionieren.

DK: Bei einer Reisekette eine Viertelstunde zu warten, ist nicht lange. Es geht aber allein schon darum, dass man die Tickets überhaupt buchen kann für verkehrsträgerübergreifende Strecken.

AS: Dann hoffentlich alles digital auf dem Smartphone, wie mit dem 49-Euro-Ticket (lacht). Startpunkt für das Ticket sollte der 01. Januar 2023 werden. Jetzt hört man, dass sich das verzögern könnte. Wissen Sie, wann es kommen wird?

DK: An sich spielt es keine Rolle, wann es nun genau erscheint. Wir müssen hier viele Fragen beantworten und technische Herausforderungen lösen, bevor wir es einführen können. Das machen wir so schnell, wie es geht. Wir wollen die gute Stimmung aus diesem Jahr mitnehmen und weiter Menschen damit begeistern.

AS: Das Ticket ist natürlich eine schöne Sache. Mit der Elektromobilität wollen wir den Mobilitätswandel vorantreiben. Ab nächstem Jahr, 2023, soll die Kaufprämie gekürzt werden. Statt 6.000 €, wird der Kauf nur noch mit 4.500 € bezuschusst. Setzt man damit die Attraktivität der Elektromobilität und die Erreichung der Klimaschutzziele nicht aufs Spiel?

DK: Überhaupt nicht, da stehe ich voll dahinter. Zwei Sachen: Wir können den Euro nur ein Mal ausgeben und das sind Steuereuros der Bürgerinnen und Bürger. Wir sehen gerade eine unglaublich hohe Verschuldung. Deswegen müssen wir sparsam und effizient mit dem Geld umgehen. Wir brauchen sehr viel Geld für die Ladesäuleninfrastruktur und investieren massiv in ein Deutschlandnetz. Das bedeutet, dass wir mit Unternehmen zusammenarbeiten, die für uns Schnellladehubs ausbauen. Natürlich kostet das sehr viel Geld, vor allem für LKW. Wir haben auch Förderungen für Ladesäulen. In die Ladesäuleninfrastruktur investieren wir massiv. Wir sind der Überzeugung, dass die Ladesäuleninfrastruktur ein bedeutender Faktor bei der Entscheidung über den Kauf eines Elektroautos ist. Zweitens können Sie Produkte nicht über solch lange Zeiträume subventionieren. Am Ende steigen die Preise und die Abschöpfungen finden bei den Anbietern statt. Dann machen Automobilkonzerne Gewinne auf Kosten des Steuerzahlers. Die Subvention wird eingepreist. Das ist nicht richtig. Es müssen stattdessen attraktive Angebote geschaffen werden. Andere Länder drängen auf den Elektroautomarkt, was eine Preissenkung bewirken wird. Ein funktionierender Markt ist das A und O für attraktive Nutzerangebote und nicht Subventionen.

AS: Wenn wir vom Worst-Case-Szenario ausgehen und der Hochlauf der Elektromobilität nicht gelingen sollte - was ist der Plan B?

DK: Das wird funktionieren. Das sieht man an den Zulassungszahlen, die weiter steigen. Wir sehen auch den Zulauf in der Automobilindustrie. Eine andere Frage müssen wir uns stellen: Was wird es sonst noch geben? Ich denke, dass wir alle Technologien wie Wasserstoff und Verbrenner weiter sehen werden. Wir haben unterschiedliche Länder weltweit, die unterschiedlich mobil sind, da werden wir auch weiter Verbrenner verkaufen. Wichtig ist, dass wir technologieoffen und divers unterwegs sind und uns auf unterschiedliche Situationen einstellen können.

AS: Das heißt, der Fokus liegt auf der Elektromobilität, aber wir sind definitiv auch offen für weitere Möglichkeiten. Das bedeutet auch, dass weiter Verbrenner auf den Straßen unterwegs sein werden, aber hoffentlich irgendwann klimaneutral.

DK: So ist es. Wir haben bei der europäischen Kommission bewirken können, dass sie sich darüber Gedanken macht, wie Verbrenner auch nach 2030 mit CO2-neutralen Kraftstoffen zugelassen werden können. Da erwarte ich zügig einen Vorschlag. Wir sollten nicht auf eine Sache setzen. Abhängigkeiten werden viel diskutiert. Es ist immer gut, divers aufgestellt zu sein.

AS: Die Rolle des Autos hat zu Corona-Zeiten an Bedeutung gewonnen. Welche Rolle sehen Sie für das Auto im Individualverkehr?

DK: Ich denke, es wird weiterhin eine große Rolle spielen, sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum. Im ländlichen Raum ist das Auto gar nicht wegzudenken, das wird es auch in Zukunft nicht sein. Beispielsweise der Einkauf auf dem Land ist ohne Auto nicht machbar. Auch in der Stadt legen sich die meisten Menschen mit der Geburt der Kinder ein Auto zu. Das Leben ist vielfältig und bunt, genauso wie die Menschen in Deutschland und ihre Lebenssituationen. Nichtsdestotrotz muss das Auto dekarbonisiert werden und wir wollen Angebote schaffen, die es den Menschen ermöglichen, so oft wie möglich auf das Auto zu verzichten.

AS: Vielen Dank für Ihre spannenden Einblicke!

DK: Ich danke Ihnen!

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